So, nun lag ich da. 

Tags zuvor eilte ich noch schnellen Schrittes zur Bergbahn, da ich ja verschlafen hatte.

Es ist bis heute schockierend und faszinierend zugleich, was ein kleiner Bruch an der falschen Stelle im Körper anrichten kann.

Diagnose Querschnittslähmung! Verursacht durch einen Trümmerbruch des 6. Halswirbels.

Die Knochensplitter haben mein Rückenmark durchtrennt. Fast ironisch, dass ich mir zuvor nie irgendetwas gebrochen hatte. Und auch bei diesem Unfall war es „nur“ dieser eine kleine Knochen, aber mit verheerenden Folgen.

Am Tag nach meinem Unfall kamen meine Eltern und meine besten Freunde zu mir auf die Intensivstation. Diese Verzweiflung in ihren Gesichtern, die Hilflosigkeit. Kein Wunder, mein Anblick war bestimmt nicht so einfach zu verkraften. Wie ich so da lag. Angeschlossen an Maschinen.
Ich lächelte sie an. „Das ist nicht so schlimm, es wird alles gut“, sagte ich.  

Mein Ziel war klar: bald im Rollstuhl sitzen zu können. Denn zu diesem Zeitpunkt war ich nur in der Lage, meinen Kopf zu bewegen und keiner wusste genau, was sich an meinem Zustand noch verbessern würde.
Mir war damals natürlich nicht bewusst, dass hinter der Diagnose Querschnittslähmung weit mehr steckt, als nicht mehr gehen zu können und dass ein langer und harter Weg vor mir lag.

Nach 8 Jahren und 7 Monaten im Rollstuhl bin ich mittlerweile Expertin und weiß ganz genau, was eine Rückenmarksverletzung mit sich bringt.

Wie man auf den Röntgenbildern sehen kann, ist mein 6. Halswirbel durch den Aufprall in mehrere Splitter zerborsten. Diese Splitter haben eine Schädigung des Rückenmarks verursacht.

Um meine Halswirbelsäule wieder zu stabilisieren, wurden bei einer Notoperation die Splitter entfernt und der Wirbel durch ein Stück Beckenknochen ersetzt. Zusätzlich wurde das Ganze mit einer Platte vom 5. bis zum 7. Halswirbel verschraubt. Diese Op will ich mir gar ich vorstellen. Unglaublich was Ärzte zu leisten im Stande sind. Seit diesem Tag schmückt mich u. a. eine 6 cm lange Narbe am Hals. 

Querschnittslähmung ist so ein komplexes Thema und keine Verletzung gleicht der anderen. Aber ich möchte versuchen zu erklären, was im Körper passiert

Im Rückenmark verlaufen motorische und sensorische Nervenfasern. Durch die Verletzung der Nervenfasern, die motorische Signale vom Gehirn an die Gliedmaßen weiterleiten, kommt es zu einer Muskellähmung. Also ich denke zwar daran, meine Beine zu bewegen, aber die Information kann nicht weitergeleitet werden.
Die Zerstörung der sensorischen Nervenfasern verursacht den Verlust von Empfindungen wie Berührung, Druck, Schmerz und Temperatur. So z.B muss ich beim Duschen gut aufpassen, dass das Wasser nicht zu heiß ist. Ich würde mich sonst verbrennen, ohne es zu merken.

Weniger bekannt ist, dass eine Rückenmarksverletzung auch Körperfunktionen wie die der Blase und des Darms, den Blutdruck und die Temperaturregulierung schwer beeinträchtigen. Genau diese weniger bekannten Folgen der Verletzung machen das Leben mit einer Querschnittlähmung so schwierig. So z. B. ist mir im Winter immer kalt, weil sich mein Körper nicht wärmen kann und im Sommer besteht schnell Gefahr, einen Hitzschlag zu bekommen, weil ich nicht schwitzen kann.  
Es gibt jährlich mind. 250.000 akute Rückenmarksverletzungen weltweit.
Hauptursache sind nicht Extremsportarten, wie viele glauben, sondern Unfälle im alltäglichen Leben. Es kann jedem passieren. Seit ein paar Jahren halte ich Informationsgruppen für Frischverletzte im Rehabilitationszentrum in Bad Häring und es ist unglaublich, welche Geschichten man dort zu hören bekommt. Querschnittlähmung durch Sturz von der Ofenbank, Ausrutschen im Bad, Sturz von der Schaukel.
53 % dieser Unfälle führen zu einer Paraplegie, 47 % zu einer Tetraplegie.

Von einer Paraplegie spricht man, wenn die Rumpfmuskulatur und unteren Gliedmaßen von der Lähmung betroffen sind. Tetraplegie betrifft die Rumpfmuskulatur und alle 4 Gliedmaßen. 

Grundsätzlich gilt: Je höher die Verletzungsstelle, desto schlimmer.

Ich habe eine sogenannte Tetraplegie. Betroffen sind bei mir alle 4 Gliedmaßen und die Lähmung startet oberhalb der Brust. Das heißt, ich kann weder meine Beine, noch meine Finger bewegen. Auch der Trizeps ist betroffen.  

Ich weiß, das klingt alles ziemlich schlimm und das ist es auch. Aber in meinem nächsten Blog Eintrag erzähle ich euch, wie es mir nach der Diagnose ergangen ist, wie es mir gelang, jetzt wieder ein fast selbständiges und glückliches Leben zu führen und warum ich trotzdem die Hoffnung auf Heilung niemals aufgebe.

Alles Liebe,
Tina

Tina Hötzendorfer
Getaggt: Gedanken