Wenn banale Probleme wieder Probleme werden

Tagebucheintrag vom 03.03.2011:

„Wenn banale Probleme wieder Probleme werden… Wenn ich eines Tages wieder über Dinge jammern könnte, die mich momentan höchstens zum Schmunzeln bringen, dann ist die Welt wieder in Ordnung!“

Nach meinem Unfall habe ich Tagebuch geführt, Gedanken niedergeschrieben. Heute bin ich sehr froh darüber, da ich mich an all die unterschiedlichen Gefühlslagen in dieser Zeit gar nicht mehr recht erinnern kann.

Ich weiß nur, dass ich schon so einige Male auf die Probe gestellt wurde. 

Mein Körper war anfangs ein einziges Rätsel für mich. So eine hohe Querschnittslähmung verändert einfach alles. Nicht nur, dass man plötzlich ca. 90 % seines Körpers nicht mehr bewegen kann. Auch viele, viel zu viele Körperfunktionen sind betroffen. Plötzlich bekommt man von einer Sekunde auf die andere starke Kopfschmerzen, weil man auf die Toilette muss. Kribbeln in den Wangen, wenn ein Schuh drückt. Oder man beginnt zu schwitzen, obwohl man ja eigentlich nicht schwitzen kann, wenn irgendwo etwas weh tut.

Zusätzlich zehrten zahlreiche Krankenhausaufenthalte und Operationen, Schmerzen und Rückschläge an meinen Kräften. Körperlich und vor allem psychisch.

Monatelang drehten sich meine Gedanken um existenzielle Fragen. „Werde ich immer auf Hilfe angewiesen sein? Kann ich mit der Diagnose Querschnittslähmung ein erfülltes Leben führen? Geliebt werden? Glücklich sein?“

Heute kann ich alle Zeichen meines Körpers deuten, weiß was wodurch verursacht wird, worauf ich achten und aufpassen muss. Auch habe ich Antworten auf all die Fragen, die ich mir damals gestellt habe. Ja, ich bin auch heute noch auf Hilfe angewiesen. Aber bei Weitem nicht mehr in dem Ausmaß, wie damals. Ich führe ein sehr erfülltes Leben. Werde geliebt und bin glücklich. Ja, ich bin sehr glücklich.

Und ich bin heute an dem Punkt angelangt, an dem die Welt wieder in Ordnung ist. Denn wie gerne jammere ich über schlechtes Wetter, einen Pickel im Gesicht oder wenn der Kaffee aus ist.

Aber es gibt etwas, das ich sehr vermisse. Es ist die Unbeschwertheit.

Mit einer Querschnittslähmung muss man an so vieles denken und beachten. Und auch, wenn man alle Regeln befolgt, kann man sich nie zu 100 % darauf verlassen, dass der Körper das tut, was man möchte. Man muss sehr geduldig mit sich und auch mit anderen sein. Und ein Organisationstalent. Spontanität wird oft zum Fremdwort. Auch fühlt sich mein Körper oft so unglaublich schwer an. Und Nervenschmerzen sind mein täglicher Begleiter.

Ich habe eine schöne Vorstellung im Kopf:

Einfach aus dem Rollstuhl aufzustehen und über eine Wiese zu laufen. So unbeschwert und frei. Das feuchte Gras zwischen den Zehen spüren…

Weil ich mir für mich und all die anderen Betroffen wünsche, dass diese Vorstellung irgendwann einmal Realität sein wird, unterstütze ich aus tiefstem Herzen und mit voller Überzeugung die Stiftung für Rückenmarksforschung Wings for Life

Inwieweit eine Heilung von Querschnittslähmung in naher oder ferner Zukunft möglich sein wird, kann keiner so genau sagen. Aber jeder Fortschritt und jede neue Erkenntnis in diesem sehr komplexen Forschungsgebiet, kann uns vielleicht irgendwann das Leben unbeschwerter machen.

Alles Liebe,

Tina

Tina Hötzendorfer
Getaggt: Gedanken